Coop on Location #81: Kartografien II - Representing History

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, Filmcasino Wien

  • Anri Sala: Intervista - Finding the Words, 1998, Video, 26 min.
  • Joana Hadjithomas/Khalil Joreige: El Film el Mafkoud – The Lost Film, Video, 42 min.
  • Deimantas Narkevicius: Europa 54° 54’ - 25° 19’,1997, 16 mm, 9 min.
  • Romana Schmalisch/Robert Schlicht: Dom Sowjetow, 2004, Mixed Media, 30 min.

Programm: Melanie Ohnemus

Die Repräsentation und Konstruktion von Geschichte orientierte sich im traditionellen Sinn an der Vorstellung einer zeitlich linearen Dynamik von Ereignissen, die meist von politischen Krisen oder technischen Innovationen markiert wurden. Dieser Auffassung von Geschichtskonstruktion steht das Verständnis von Geschichte als synchrone Konfiguration gegenüber, die nicht als linearer Prozess, sondern als räumliche Realität begriffen wird.

Henri Levebre hat diesen Raum als „l´éspace vécu" beschrieben; einen Raum, der aus dem Habitus einer sozialen Praxis entsteht. Geschichte konstruiert sich in diesem Sinne aus der aktiven Relation von persönlichen Biografien, sozialen und politischen Räumen und imaginiertem Raum. Hierin liegt die Möglichkeit, Geschichte als Teil der eigenen Biografie zu begreifen und darin zu agieren. In diesem Sinne ist die schon vorhandene Geografie des Raumes die Bühne, auf der sich Geschichte immer wieder neu figuriert und relativiert. „Kartografien II – Representing History" zeigt Filme, die diese Relationen (re)konstruieren.

Persönliche Biografien werden am Wandel der politischen Ereignisse diskutiert (Anri Sala), die Reise auf der Suche nach der symbolischen Verortung von Geschichte und deren visueller Repräsentation produziert den Raum, dessen Geschichte erzählt wird (Hadjithomas/Joreige und Narkevitius) und Architektur wirkt als Spiegel des geschichtlichen Wandels eines Ortes (Schmalisch/Schlicht). Kartografie meint in diesem Zusammenhang mehr als die bloße Erstellung von Karten. Sie betrifft grundsätzliche Fragen nach der Verortung von >Kultur< wie der Repräsentation von >Welt<. Bild entfernt.


Anri Sala

Geb.1974, lebt in Paris

Intervista - Finding the Words, 1998

Video, 26 min.

Anlaesslich eines Wohnungswechsels findet Anri Sala in einem Umzugskarton einen 20 Jahre alten 16mm-film mit Tv-Nachrichtenaufnahmen eines Kongresses der kommunistischen Jugendorganisation Albaniens. Die Aufnahmen zeigen unter anderem eine junge Frau - die Mutter des Kuenstlers - damals Anfuehrerin des kommunistischen Jugendverbandes.

Eine Rede haltend und in der folge ein Interview gebend. Da die Tonspur des Films fehlt, kann zunaechst nicht ausgemacht werden, was die Rednerin sagt. Mit den dokumentarischen Aufnahmen und den damit verbundenen Fragen nach dem Inhalt der Rede und des Interviews konfrontiert, will sich Valdet Sala zunaechst nicht aeußern bzw. kann sich nicht mehr erinnern.

Im Zuge der Recherchen nach dem verlorenen Text sucht Anri Sala verschiedene Personen aus dem damaligen Umfeld seiner Mutter auf. So wird beispielsweise die Suche nach dem Tv-Reporter, der inzwischen als Taxifahrer in der Hauptstadt arbeitet, zu einer Fahrt durch ein Ruinenland. Zu einem Resultat hinsichtlich des Inhalts fuehren die Recherchen allerdings nicht, denn niemand kann sich an den Inhalt der Rede bzw. des Fernsehinterviews erinnern. Stattdessen entsteht ein fragmentiertes Bild der Lebenswege und gescheiterten Ideale einer Generation der 60er Jahre in Albanien, ein Bild, in dem sich die Bedingtheit von individueller und kollektiver Identitaet abzeichnet.

Durch die Hilfe von Lippenlesern der Taubstummenschule in Tirana gelingt es Anri Sala schlussendlich, den Text zu rekonstruieren. "intervista - finding the words" besteht aus den dokumentarischen Originalaufnahmen sowie Bild- und Tonaufnahmen der Recherchengespraeche.


Joana Hadjithomas und Khalil Joreige

Geb. 1969, leben in Paris und Beirut

El Film el Mafkoud – The Lost Film, 2003

Video (Betacam SP), 42 min.

»Am 22. Mai verschwand eine Kopie unseres ersten Spielfilms, Around the Pink House, unter seltsamen Umständen im Jemen. Es war eiin historisches Datum: der 10. Jahrestag der Wiedervereinigung des Südens mit dem Norden des Landes. Ein Jahr später flogen wir nach Sana’a und Aden um die verlorene Kopie ausfindig zu machen. Wir besuchten die Kinos, indenen der Film gezeigt worden war; wir gingen in´s Film Archive, wo die Filmrollen über Nacht gelagert worden waren; wir fuhren dieselbe Strasse entlang wie der Bus, der unseren Film am 22. Mai transportiert hatte, dem Tag, an dem er verschwand ... Wir blieben so genau wie möglich auf der Spur der verschwundenen Kopie.«

The Lost Film versucht hervorzuheben, was Repräsentation in jedem Teil der arabischen Welt, dem wir angehören, bedeutet. Es ist eine Untersuchung des »Bildes«, das sich neu zu formulieren versucht.


Deimantas Narkevicius

Geb.1964, lebt in Vilnius

Europa 54° 54’ - 25° 19’,1997

16 mm, 9 min.

Der Film erzählt eine Reise zum Mittelpunkt Europas, der sich unter den Koordinaten 54° 54’ - 25° 19’ in Litauen finden lässt. Narkevicius spielt mit dem Gap zwischen den wissenschaftlichen Daten und dem „gefühlten" Mittelpunkt eines neu entstehenden Europas und verschränkt diese mit historischen Kontexten.

 


Romana Schmalisch

Geb. 1974, lebt in Berlin

in Zusammenarbeit mit

Robert Schlicht

Geb.1975, lebt in Berlin

Dom Sowjetow, 2004

Mixed Media, ca. 30 min.

In „Dom Sowjetow" steht ein verlassenes Hochhaus in Kaliningrad im Zentrum der filmischen Untersuchungen. Das riesige, einst als sowjetisches Verwaltungsgebäude geplante Objekt steht wie ein wachendes Mahnmal über der Stadt. In diesem Gebäude, das übrigens nie bezogen wurde, spiegeln sich auf imposante Weise die aktuellen und historischen politischen Ereignisse um die Stadt Kaliningrad. Über die Verschränkung von Archivmaterial, Musikfragmenten, aktuellen Interviews mit Bewohnern der Stadt und 16 mm s/w Aufnahmen des Gebäudes erzählen Romana Schmalisch und Robert Schlicht die Geschichte eines politisch brisanten Orts, der heute noch wie ein Fehler im System seinen paradoxen Standort beibehält.